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Die neugierige Organisation – Eindrücke vom Zufo des Fraunhofer Institutes

07.02.2020 | KnowledgeAffairs

Das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hatte für den 30./31. Januar nach Stuttgart zum Zukunftsforum 2020 (kurz: Zufo) geladen und den Begriff der „Neugier“ als Leitthema für Referate und Expertengespräche zu innovativen Arbeits- und Organisationsformen gewählt. Ein passender Titel?

Neu-gier-de beschreibt lt. Duden das Verlangen bzw. den Wunsch, Neues zu erfahren. Bei den meisten Unternehmen ist aber weniger der Wunsch als vielmehr die Notwendigkeit entstanden, sich dem Neuen zu stellen. Dass Not wendig macht, wurde beispielhaft anhand von Beiträgen der Deutschen Bahn, der AOK, Siemens oder IBM deutlich. Gerade große Konzerne müssen sich ständig neu erfinden, um sich zeitnah auf Herausforderungen permanent ändernder Rahmenbedingungen – seien es politische, gesellschaftliche, technologische oder marktinduzierte – einzustellen. „Veränderung erfolgt von innen oder gar nicht“, proklamierte der CEO von EnBW, Frank Mastiaux, und setzte den ersten Fokus der Veranstaltung auf die Belegschaft. Damit dort positive Neugier entsteht braucht es auch Planung, Sicherheit und Förderung und letztlich eben auch Organisationsmodelle, die eine bottom-up Chancenkultur fördern. Erfolgstreiber für die Akzeptanz eines notwendigen Wandels ist die persönliche Betroffenheit. Abstrakte Verweise auf Silicon Valley oder rasante Entwicklungen in China erzeugen nicht per se einen Handlungsdruck. Wie sieht sie also aus, die neugierige Organisation?

Glaubwürdige Diversity-Vertreterin: Janina Kugel, Personalvorstand bei Siemens hält beim Zufo einen Vortrag über crossfunktionale Teams.

Glaubwürdige Diversity-Vertreterin: Janina Kugel,
Personalvorstand an ihrem letzten Tag bei Siemens mit
leidenschaftlichem Aufruf zucrossfunctionalen Teams.

Das Zufo kennt keine Denksperren

Hierzu gab es wie immer beim IAO reichlich Praxiserfahrungen und anwendungsorientierte Perspektiven: Selbstbestimmte Organisationsformen, Entscheidungsautonomie, Führung auf Zeit, Tandem-Führung, erweiterte Mitbestimmung, 5 Stunden Tage, kognitive Arbeitswelten, Zickzack-Karrieren, situative Rollenwechsel, Scrum-Methoden – in der Debatte des „New work“ gibt es keine Denksperren, nur Experimente, Erfahrungen und Anpassungen. Was funktioniert, was nicht. Gelebte Diversity beispielsweise ist mittlerweile Pflicht aber Lokführer und Homeoffice – das passt dann eben doch nicht. Aus Führungskräften werden Coaches. Mitarbeiter suchen sich aus den eigenen Reihen temporäre Führungskräfte. Ein Teilnehmer erzählte, auf ihren Visitenkarten dürfte jeder Mitarbeiter drauf schreiben, was die Kunden gerne hören würden. Insbesondere die Generation Z verbindet mit ihrer Neugier auf künftige Arbeitsplätze immer weniger klassische Karrierewege und hierarchische Führungsmodelle, sondern weitreichende Erwartungshaltungen an orts- und zeitunabhängiges Arbeiten sowie an den Purpose, also die Sinnhaftigkeit, der eigenen Arbeit bzw. des Unternehmenszwecks. Individuelle Flexibilität und Work-Life Balance sind wichtig. Regelmäßige Lohnsteigerungen könnten durch temporäre Verantwortungszulagen ersetzt werden. Mitarbeiterführung ist ein kann, Fachkarrieren hingegen werden wieder akzeptierter, agile Projektorganisationsformen sind wichtiger als Linienorganisationen.

Die (positiven) Folgen von Neugier

Diese Veränderungen in der Führungskultur erzeugen aber auch neue Fragen nach Lohngerechtigkeit, nach Mitbestimmung, nach der Legitimierung von Entscheidungen und induzieren zudem auch neue Forschungsfelder, beispielsweise nach den Erwartungshaltungen und dem „Mindset“ von immer mehr Folgenden also Followern. Schattenhierarchien müssen vermieden werden und auch zeitlich befristete Experimentierräume brauchen klare Strukturen und Regeln. Nimmt die Entscheidungsgeschwindigkeit in offenen Strukturen zu oder ab und wer hat am Ende aller Veränderungen eigentlich DIE Macht, wo wird letztlich entschieden? Also Autonomie vs. KPI?

Neugier ist ein wichtiger Antrieb des Menschen und auch für Organisationen gilt: probieren geht über studieren. Routinen sind wichtig, aber neue Pfade zu beschreiten kann die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Perspektiv- und Rollenwechsel können helfen, eine resiliente und achtsame Organisation zu kreieren. Flexibilisierung unterstützt beim Recruiting. Die Freude am Entdecken und das gemeinsame Überwinden von Widerständen kann dazu beitragen, unternehmerisches (Selbst-) Vertrauen aufzubauen und Mitarbeiter zu Mitgestaltern weiterzuentwickeln.


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