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Denken wie Carl von Linde und reden wie Thomas Gottschalk

09.10.2019 | KnowledgeAffairs

Kulmbach-Bahnhof, 7. Oktober 2019. Es ist neun Uhr morgens und ich stehe verloren am einsamen Bahnsteig der Kleinstadt, die große Prominenz hervorbrachte, wie den TV-Star Thomas Gottschalk oder den Ingenieur Carl von Linde. Die Luft ist feucht und kalt. Ein wenig verschlafen folge ich Google Maps der Hauptstraße entlang zum Seminarhaus und zu meiner Fortbildung der Akademie der Bayerischen Presse: Rhetorik kompakt. Ich schlendere mit meinem Gepäck vom Bahnhof durch die Innenstadt, durch Gassen, die immer kleiner und steiler werden hinauf zum ehemaligen Kulmbacher Kloster. Innerhalb der alten Mauern finde ich schnell die Tür zu meinem Seminar und werde von einem leeren Raum in Empfang genommen. Ich bin rund 30 Minuten zu früh da. Nach und nach trudeln sie ein, Journalistinnen, Lokalpolitikerinnen, Kulturbeauftragte und ein ehemaliger Zahnarzt – jetzt Fachjournalist. Die gefühlte Opposition bilde ich, ein junger PR Trainee aus München. Aus den unterschiedlichsten Gründen will oder muss jeder hier seine Rhetorik verbessern und möchte lernen, sich und seine zu vermittelnden Inhalte bestmöglich zu präsentieren.

Präsentation oder Schauspielerei?

Für einen gelungenen Vortrag macht der Inhalt nur 7 % aus. Der Rest setzt sich zusammen aus Gestik, Mimik, Körperhaltung und der Stimme. So oder so ähnlich behaupten es zumindest einige Studien. Beruhigend also für jemanden, der nicht weiß, wovon er spricht – beunruhigend jedoch für alle, die wissen, was sie sagen möchten.

Nun hat eine gute Präsentation auch einiges mit Schauspielerei zu tun. Für viele ist der Schritt auf eine Bühne, Podium oder vor die Leinwand ein „Fight or Flight-Moment“. Wir beginnen nervös zu werden, bekommen schwitzige Handflächen, fangen an zu zittern, manch einem wird sogar schlecht. Der Blick wandert nervös durch das Publikum, die Gedanken rasen.

Auf dem Weg zur Expertise erwartet uns alle nichts als Übung, Vorbereitung und bisschen Know-how. Die Nervosität verschwindet nie ganz, sie klingt höchstens ab. Um den Vortrag jedoch trotzdem interessant sowie lebhaft zu gestalten und das Publikum abzuholen gibt es eine Reihe von Tricks. Dazu gehören eine aufrechte Körperhaltung, den Inhalt untermalende Gestik, eine sonore Stimme, ruhige Atmung, Blickkontakt und noch einige weitere Finessen.

Journalisten bleiben Journalisten und Politiker Politiker

Nach zwei intensiven Seminartagen bleiben wir zu meiner Belustigung trotz der neuen Erkenntnisse alle in unserer Rolle (der eine mehr als die andere). So tragen die Vertreterinnen aus der Politik ihre Reden ähnlich der Kollegen im Bundestag vor: überzeugend, bestimmt, mit kräftiger Gestik und weniger informierend – ganz anders als der Fachjournalist für Zahnmedizin.

Glücklicherweise wurde ich auf dem Rückweg nach München nicht mehr allein durch die Frauenstimme von Google Maps, sondern auch von meinen nicht mehr ganz so oppositionellen Mitstreitern unterhalten. Man könnte beinahe behaupten, es seien Freundschaften geknüpft worden.

Fortbildungen stehen bei jedem unserer Mitarbeiter regelmäßig auf dem Programm. Weitere Erfahrungsberichte finden interessierte Leser unter KnowledgeAffairs.


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