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Wer oder was regiert die Welt?

05.06.2024 | KnowledgeAffairs

Das KI-generierte Bild zeigt einen Globus in der Mitte mit einer Art Krone drüber. Im Hintergrund sind verschiedene Illustrationen wie Gebäude, Flugzeuge oder Ufos zu sehen

© KI generiertes Bild von Canva.com

Zugegeben ... eine relativ große Frage, selbst für mich 😉. Aber ich habe in meinem Berufsleben gelernt, große Probleme erst mal in kleine zu zerlegen und diese dann Schritt für Schritt zu bearbeiten. Ich möchte mich daher der Frage über drei Beobachtungen annähern:

Im Jahr 2000 erschien ein kleines Büchlein „Trading Identities. Why countries and companies are taking on each others´roles”. Es beginnt mit der nüchternen Feststellung, dass von den 100 größten Wirtschaftseinheiten, 54 Staaten und 46 Unternehmen sind. Die Beziehung dieser „Großen“ wäre von Wettbewerb, Veränderung der Aufgaben aber auch einem gewissen Rollentausch geprägt. Sie würden einander immer ähnlicher und würden eine neue Balance der globalen Macht erzeugen. Dies spiegelt sich in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, dass Unternehmen politische Macht haben und Staaten wirtschaftliche Interessen und es in einer multilateralen Welt schwierig ist zu erkennen, wo Politik endet und Wirtschaft beginnt und umgekehrt. Stichwort Ausbau der 5G Netzes durch Huawei oder TikTok Verbot in den USA.

Der zweite Impuls ist die Siemens Keynote auf der CES 2024, bei der der CEO Roland Busch darauf aufmerksam macht, dass niemand die großen Probleme der Welt alleine lösen kann, sondern nur alle gemeinsam. Folgerichtig stellte die deutsche Industrie-Ikone Siemens auf eben dieser weltweit bedeutendsten Konsumgütermesse eine ganze Reihe von Kooperationen mit amerikanischen Tech Ikonen, wie Microsoft, Amazon und Nvidia vor. Mit der Vision des Industrial Metaverse, also der zeit- und ortsunabhängigen gemeinsamen, globalen Fertigung von Gütern, verschmilzt die alte mit der neuen, digitalen Welt, der digitale Zwilling wird noch vor dem realen Produkt erschaffen. Auch hier lösen sich traditionelle Grenzen und Machtgefüge auf.

Der dritte Impuls schließlich war die Besprechung einer Publikation von Jan Lies, die das PR-Journal ein Standardwerk für strategische Kommunikation nennt: Wirtschaft als Kommunikation. Kommunikation als Wirtschaft. Der promovierte und habilitierte Ökonom und Hochschullehrer folgt der Systemtheorie in der Tradition Niklas Luhmanns. Mit diesem Theorieansatz und einer unglaublich breit ausgespannten Analyse und akademischen Quellenauswertung proklamiert der Professor die „Call out“-Ökonomie, vereinfacht gesagt: Die Macht ist zu den Konsumenten gewandert. Marken, so Lies, bauen Vertrauen auf und sorgen in Märkten (die aus Narrativen bestehen) für Ordnung und Wissen, Marken werden zu sozialen Systemen und müssen entsprechend gemanagt werden. Die Marke wird hierbei vom Unternehmen und der Community gemeinsam weiterentwickelt. Das „Call out“ bezieht sich somit auf Äußerungen und Haltungen von Kund:innen und Mitarbeiter:innen aber genauso auf Gruppen, die mit dem Unternehmen gar nicht als Stakeholder im engeren Sinne interagieren (z.B. NGOs).

Das PR Journal fasst zusammen: „Dies kann positiv wirken, wenn sich interne wie externe Markenbotschafter, Influencer oder Markenevangelisten enthusiastisch über Marken äußern. (...) Es kann aber auch ganz anders herum negativ und sogar zerstörerisch wirken, in Form von Firestorms, Shitstorms, Cancel Culture oder Marken-Party-Crushing. Die Kommunikations-Initiative liegt dann gar nicht mehr bei den Unternehmen, aber das Management muss all das registrieren, sehen, aufgreifen, integrieren und adäquat antworten. Vor allem, wenn wirkmächtige Narrative entstehen und in die Wahrnehmung, Image, Reputation der Unternehmen massiv eingreifen. Dies beschreibt Jan Lies mit großem Recht als eine ‚wahrhaft fundamentale und notwendige kommunikative Wende von Management und Märkten‘. Und weiter, es gehe dem Autor „um das Betonen der gesellschaftsbezogenen Perspektive, um die das heutige professionelle Management von Kommunikation kaum noch herumkommt. Und auch gar nicht herumkommen sollte. Nämlich um die Vermittlung von Sinn, die Integration von Werten, das Hören auf Nachhaltigkeits-Anforderungen, Beachtung von Ethik- und Moral, die öffentliche Vermittlung eines unternehmerischen Beitrags nicht nur zugunsten der eigenen Wertschöpfung, sondern der Wertschöpfung für das Gemeinwohl.“

Hier schließlich bietet sich eine Antwort auf die große Frage an, wer denn die Welt regiert: das Gemeinwohl sollte das Fundament und der Taktgeber sein und so Lies: „(...) wenn Unternehmen, die Märkte und ihr Umfeld aus sozialen Netzwerken bestehen und diese Netzwerke auf Basis gemeinsamer Werte entstehen und arbeiten, dann ist Kommunikation derzeit die treibende Kraft der Wirtschaftsgesellschaft.“ Diesen „Sinn“ mitzuorganisieren und damit einen kleinen Beitrag zur Systembildung beizutragen, hat sich auch HeadlineAffairs auf die Fahnen geschrieben.


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