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Fake News und Desinformations-Kampagnen

22.11.2019 | Speakers Corner

Können Sie zwischen Wahrheit und Lüge in (Sozialen-) Medien unterscheiden? In der Welt von Fake News ist das nicht so einfach: erstens sind Desinformationen nicht immer platte Lügen, sondern oft eine geschickte Verdrehung der Fakten. Zudem ist das Ausmaß von gezielt eingesetzten Manipulationen umfassender als wir uns vorstellen – so sagt es die EU Task Force gegen Desinformation. Das Problem sind nicht vereinzelte Falschinformationen, sondern gezielte Kampagnen.

Was sind Desinformations-Kampagnen?

Historikerin Anne Applebaum, die zu dem Thema Propaganda forscht, hat vier Ebenen von Kampagnen identifiziert, die falsche Informationen streuen sollen:

  • Fake-Profile hinter denen keine echten Menschen stehen.
  • Verstärkungs-Kampagnen, die bestimmte Posts und Geschichten beliebter erscheinen lassen, als sie in Wirklichkeit sind.
  • Fake-Stories, also Geschichten, die schlicht unwahr sind.
  • Falsche Narrative: Netzwerke aus Menschen und Bots gehen dabei organisiert vor, um einen stetigen Strom von Informationen zu produzieren, durch den ein Thema gesetzt oder „geframed“ wird.


Verstärkt durch Bots verbreiten sich Fake News über Länder- und Sprachgrenzen hinweg. Ziel vieler Desinformations-Kampagnen ist kein schnelles „Erledigen“ des Gegners, sondern dessen langsame Zersetzung – indem Zweifel gesät werden.

Fake News und Demokratie

Demokratie beruht auf informierter Mitbestimmung. Desinformation, Manipulation und Propaganda sind daher Gefahren für die Stabilität liberaler demokratischer Systeme. Experten und Politiker warnen zudem, Desinformations-Kampagnen können Wahlen beeinflussen. EU-Politiker, wie Martin Häusling und Monika Hohlmeier, sprechen von einer Gefahr für die Demokratie, Angela Merkel sieht sogar eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darin.

Die Strategie der EU gegen Desinformation

Die EU-Kommission möchte daher gegen Fake News vorgehen und setzt auf eine Task Force: EUvsDisinfo. Die kleine Abteilung soll ausschließlich gegen Desinformation, als deren Urheber die russische Regierung vermutet wird, ankämpfen.

3.800 Beispiele für falsche Informationen, die laut der Task Force vom Kreml gestreut wurden, haben die 15 Mitarbeiter der Abteilung seit 2015 schon zusammengetragen und veröffentlicht. In Deutsch, Englisch und Russisch können die Leser erfahren, welche pro-russischen Unwahrheiten im Umlauf sind. Gelöscht werden die Berichte nicht, aber richtiggestellt – zumindest auf der Seite der Task Force.

Die Schwächen der EU-Strategie gegen Desinformation

Kommunikationswissenschaftler haben nachgewiesen, dass eine Richtigstellung nicht unbedingt geglaubt wird. Für unsere Gehirne ist die zuerst gehörte Lüge leichter zu merken, als die Fakten im Nachhinein. Außerdem glauben wir einer emotionalen, übertriebenen Geschichte eher als bloßen Fakten. Wir sind psychologisch verdrahtet, um Fake News zu lieben. Die Richtigstellung auf der Website der Task Force wird nur wenige Menschen erreichen und überzeugen.

Objektive Fakten und subjektive Wahrheiten

Warum konzentriert sich das Projekt der EU ausschließlich auf Russland? Laut Experten wie dem Online-Aktivisten Christoph Schott von Avaaz, machen russische Kampagnen einen Großteil der Fake News aus – aber auch rechte Gruppen sind laut Avaaz sehr aktiv bei der Manipulation von Diskursen im Web. Das bestätigt auch Anne Applebaum und nennt als „Erfolgsbeispiele“ rechte Gruppen VOX in Spanien und Marine Le Pen in Frankreich.

Rechte Parteien feierten Erfolge bei der Europawahl 2019. Warum geht die EU nicht gezielt gegen rechte Propagandisten vor? Da Ressourcen begrenzt sind und das Ausmaß von Fake News nach Schätzungen immens, ist es schwer gegen alle Manipulatoren vorzugehen. Aber nur bei einem Akteur anzusetzen ist selbst eine Verzerrung der Wirklichkeit und gibt eine subjektive Wahrheit wieder.

PR-Arbeit und Fake News

Was bedeutet die Online-Propaganda für PR-Arbeit und den Kommunikationsbereich generell? Wenn wir unsere Geschichten schreiben, Überschriften generieren und Botschaften in die Welt tragen, tragen wir immer auch einen Puzzlestein zum Gesamtbild der (Online-) Wirklichkeit bei. Wir müssen uns für keine Seite entscheiden, aber ehrlich informieren.


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