„Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“
31.10.2019 | Speakers Corner
Das Zitat von Johann Wolfgang von Goethe zeigt, dass die Glaubwürdigkeit von Nachrichten schon früher angezweifelt wurde. Und heute haben wir eine noch größere Auswahl:Tagesschau, Regionalzeitung, Facebook News Feed. Wer wissen möchte, wem die Menschen noch glauben, und dazu „Medien und Glaubwürdigkeit“ googelt ist gleich mittendrin im Glaubwürdigkeitsdilemma. Unter den ersten Treffern findet sich die Überschrift „Die Glaubwürdigkeit klassischer Medien ist unangefochten“ (Handelsblatt, 20.08.2018) neben der Schlagzeile „Glaubwürdigkeit der Massenmedien bröckelt“ (NZZ, 08.03.2019). Dazwischen heißt es „Glaubwürdigkeit der Medien: Mehr Vertrauen, mehr Misstrauen“ (Tagesspiegel, 06.03.2019). Ja, was denn nun? Und wie glaubhaft sind eigentlich Aussagen über Medien, die von ebenjenen selbst veröffentlicht werden?
Hier muss man etwas tiefer in das Thema eintauchen und sich vor allem anschauen, von welchen Medien wir sprechen, denn Medien sind in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gleich Medien. Der Digital News Report 2019 des renommierten Reuters Institute, die weltweit größte internationale Vergleichsstudie zum Thema Mediennutzung, hat herausgefunden, dass die Menschen allen Unkenrufen zum Trotz klassischen Medien, wie dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und der regionalen Tageszeitung, weiterhin am meisten Vertrauen schenken. Facebook rangiert weit abgeschlagen auf den letzten Plätzen und die Zahlen zeigen, dass das Vertrauen in die sozialen Medien als Informationsquelle stetig sinkt. Auch auf das Format kommt es an. Podcasts werden als Nachrichtenquelle immer beliebter, während die Beliebtheit von Videos sinkt. Eine beruhigende Nachricht für die klassischen Medien hält der Report auch noch bereit: Immer mehr Menschen sind weltweit bereit, für Qualitätsjournalismus im Internet zu zahlen. In Deutschland sind es zwar erst acht Prozent, allerdings mit steigender Tendenz.
Glaubwürdigkeit? Back to the roots!
Was bedeuten diese Erkenntnisse für uns als Public Relations Profis? Naturgemäß beschäftigt uns und unsere Kunden die Frage nach der Glaubwürdigkeit unserer Arbeit ganz besonders. Denn, nur wenn Aussagen über Unternehmen glaubwürdig sind, kommen sie bei der Zielgruppe auch an und schaffen langfristig Vertrauen – die Grundlage für gute Beziehungen, wie sie im Namen unserer Zunft ja schon inbegriffen sind.
Wenn wir die Erkenntnisse der Mediennutzungs-Trendstudie ernst nehmen, dann müssen wir wieder ein Stück weit „back to the roots“ gehen. Soziale Medien hin oder her, einen Glaubwürdigkeits- und Vertrauensvorsprung werden wir für unsere Kunden durch hippe Facebook-Posts, Insta-Stories und innovative YouTube-Videos eher nicht erlangen. Stattdessen sollten wir uns auf echte, gute Beziehungen zu den klassisch-redaktionell arbeitenden Journalisten konzentrieren, besonders zu den Lokalredakteuren und rasenden Reportern vor Ort, die täglich die 323 deutschen Tageszeitungen mit ihren 1.452 Lokalausgaben füllen.
Du sollst nicht lügen!
Und was ist mit der eingangs gestellten Frage, wie glaubhaft selbstreferenzielle Aussagen eigentlich sind? Genauso, wie es in der Natur von Medien liegt, Studienergebnisse über sich selbst zu interpretieren und zu veröffentlichen, liegt es in der Natur der PR, Aussagen – in der Regel positive – über sich selbst (bzw. die Kunden) zu treffen. Man ahnt es schon: Entscheidend ist der Wahrheitsgehalt! Die oben genannten Google-Treffer scheinen zwar auf den ersten Blick widersprüchlich zu sein, bei genauerem Hinsehen decken sich ihre Aussagen allerdings sowohl untereinander als auch mit den Erkenntnissen des Digital News Report: Das Vertrauen in klassische Massenmedien ist nach wie vor hoch, das in soziale Medien sinkt. Vielleicht hoffte die NZZ, im Geiste der „Lügenpresse“-Vorwürfe, mit der negativ anmutenden Überschrift der „bröckelnden Glaubwürdigkeit“ ein paar mehr Klicks zu generieren. Doch auch, wenn sie mit dieser irreführenden Schlagzeile tatsächlich stellvertretend für die ganze Medienbranche Glaubwürdigkeit eingebüßt hat, im Artikel selbst ist die Neue Züricher Zeitung dann doch bei der Wahrheit geblieben.
Auch in der PR ist das erste Gebot: Du sollst nicht lügen! Glaubwürdigkeit und Vertrauen muss über Jahre hart erarbeitet werden und kann mit einer einzigen Unwahrheit in Sekunden zerstört werden. Gute PR sollte es deshalb mit dem israelischen Schriftsteller Daniel Dagan halten: „Glaubwürdigkeit ist doch eine einfache Sache: Man sagt, was man tut und man tut, was man sagt.“