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The Blair Witch Project: Brillante Idee oder leichtgläubiger Konsument

15.01.2020 | Speakers Corner

Wie oft hört man Eltern zu ihren Kindern sagen: “Das ist nur ein Film, das ist nicht echt.” Was aber, wenn die Darstellung so realistisch und die Kommunikation so glaubwürdig ist, dass der Konsument es für die Wirklichkeit hält - so wie beim Blair Witch Project?

Orson Wells‘ Spiel mit Fakt und Fiktion

New York Times Headline: Radio listeners in panic, taking war drama as fact.Schon Orson Wells reizte 1938 die Möglichkeiten des Radios aus. Am 30. Oktober 1938, es war ein Sonntag und Halloween, strahlte der amerikanische Radiosender CBS die Hörspielfassung seines Science-Fiction Romans „Krieg der Welten“ aus. Das literarische Werk wurde dafür zu einer einstündigen Live-Reportage umgestaltet. Trotz mehrerer Hinweise, dass es sich um eine Fiktion handle, reagierten Zuhörer aufgrund der realistischen Darstellung der Landung von Außerirdischen in den USA panisch. Kein Wunder: Während des Zweiten Weltkrieges hatten Medien eine unglaubliche Macht – was sie veröffentlichten wurde geglaubt. Die Glaubwürdigkeit des Hörspiels war auch der realistischen Inszenierung geschuldet. Es gab Wetterberichte, Interviews mit vermeintlichen Experten, es wurden O-Töne von Reportern integriert und sogar Programmunterbrechungen wegen „aktueller“ Meldungen eingespielt. Als schließlich über das Radio der Ausnahmezustand ausgerufen wurde, war die Inszenierung perfekt. Am nächsten Tag titelte die New York Times: Radio Listeners in Panic, Taking War Drama as Fact. Die Tageszeitung berichtete, dass Millionen Amerikaner die Reportage glaubten. Und auch noch mehr als 80 Jahre später gilt diese Inszenierung als eines der größten Radio-Ereignisse der Mediengeschichte.

Bewegtbild und Internet ermöglichen eine neue Dimension von Fiktion

Was damals dem Radio gelang, übernahmen in den 90er Jahren Film und Internet.

Bilder vermisster Personen des Blair Witch Projects.Zwei Filmstudenten aus Florida beschlossen 1993 einen Film der besonderen Art zu drehen. Der Plan von Daniel Myrick und Eduardo Sánchez war, einen Horrorfilm als Dokumentation darzustellen. Die Idee zum Found-Footage-Film „The Blair Witch Project“ war geboren. Also engagierten sie drei Jungschauspieler, die Filmstudenten spielen sollten, wiesen sie in die Kameraführung ein und schickten sie in den Wald in Maryland. Dort sollten sie acht Tage lang eine Dokumentation über die Hexe Blair drehen. Die Schauspieler erhielten über Notizzettel Instruktionen, wie die jeweiligen Szenen aussehen sollten, die Film Crew sorgte währenddessen für das nötige Horror-Feeling aus dem Off. Ein Drehbuch gab es nicht. Die Schauspieler waren auf sich allein gestellt und wussten nicht was passiert. Ihre einzige Verbindung zur Crew war ein Walkie-Talkie. So sollten die Reaktionen der Schauspieler möglichst authentisch und der Film so realistisch wie möglich werden. Doch damit nicht genug: Die beiden Regisseure wollten den Fake noch weiter ausbauen und veröffentlichten zehn Monate nachdem sie den Film fertiggestellt hatten einen Tatsachenbericht im Internet über das Verschwinden der besagten Filmstudenten. Der Bericht beschrieb den Fund ihres Videomaterials, ihrer Ausrüstung, sogar Interviews mit angeblichen Familienmitgliedern wurden gezeigt. Das sollte die Täuschung komplett machen. Sechs Monate nach Veröffentlichung des Online-Berichts, wurde der Film „The Blair Witch Project“ uraufgeführt. Die Menschen glaubten, es sei eine wahre Geschichte und die Hexe Blair wäre schuld am Verschwinden der Studenten. Sie haben erwartet, sie würden tatsächlich das gefundene Videomaterial der Filmstudenten sehen. Der Ansturm auf die Kinos war enorm.

Das Vertrauen in die Kommunikatoren der Neuzeit

Ob Radio-Drama im Jahr 1938 oder Horror-Dokumentation 1999: Medien haben die Kraft, Konsumenten zu bewegen. Nicht nur professionelle Kommunikatoren, auch Lokaljournalisten oder Instagram-Influencer müssen sich darüber im Klaren sein, welchen Einfluss sie mit Pseudo-Dokumentationen, mit vorsätzlich produzierten Fake News, mit Inszenierungen, (Schmutz-) Kampagnen und Propaganda auf die Öffentlichkeit ausüben können. Diese Beispiele zeigen aber auch, wie viel Vertrauen Medienkonsumenten im 20. Jahrhundert in die Kommunikatoren gesetzt haben.

Dieses Vertrauen gilt es auch heute aufrechtzuerhalten. Medien sowie PRler müssen mit Authentizität und transparenter Kommunikation einem möglichen Vertrauensschwund entgegenwirken. Jeder einzelne ist dafür verantwortlich, die Auswirkungen der eigenen Veröffentlichungen zu bedenken und das Vertrauen der Medienkonsumenten nicht wie in den obengenannten Beispielen zu missbrauchen. Mit Ausnahme des 1. Aprils!

Bilder: © Google Bilder


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