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Europa ... ach Europe!

05.05.2020 | Speakers Corner

Ein wehmütiger Kommentar zum Europatag

In Zeiten, in denen Reisen durch Europa verboten ist und man die Nachbarn nur noch im Zusammenhang mit steigenden Sterbestatistiken und wachsenden Schuldenbergen wahrnimmt, leben alle möglichen Klischees und Stereotype wieder auf. Der Italiener faul, der Deutsche herzlos, der Engländer - Inselbewohner, alles klar? Reisen bildet, heißt es und die offenen Grenzen und schnellen und günstigen Reiseverbindungen in Europa haben viel dazu beigetragen, dass sich Europa nach Jahren der Kriege besser verstanden hat und für viele zu einer größeren und attraktiveren Identität wurde als „nur“ Deutscher. Heute liest, hört und sieht man viele kritische Stimmen und Meinungen aber immer durch den medialen (Empörungs-) Filter - allein das Korrektiv des Erstkontaktes zum Italiener, Franzosen fehlt. Für mich ist Europa eine Herzensangelegenheit. Gut, das Herz ist als Sinnesorgan im Alltag nicht so wirkungsvoll wie Auge, Ohr oder Mund, aber es ist doch ein guter Seismograf für bestimmte Schwingungen. Daher „hören“ und „schauen“ ja auch viele vor wichtigen Entscheidungen in sich hinein. Und vielleicht sollten wir Europa gerade in Zeiten von Reisewarnungen (!) stärker mit dem Herzen spüren.

Isolation erzeugt Abgrenzung

Weltoffenheit, Toleranz und Neugier hingegen entstehen durch den Tapetenwechsel, durch neue Perspektiven und direkte Erlebnisse und den Austausch mit anderen Kulturen. Es ist naheliegend, dass insbesondere die Tourismusverantwortlichen sich diese Tage massiv dafür einsetzen, die neuen innereuropäischen Grenzen schnell und vollumfänglich wieder zu öffnen. Es ist aber auch ermutigend, wie herzlich man sich die anderen wieder herbeisehnt und welche Anstrengungen unternommen werden, um ein verantwortungsvoller Gastgeber zu sein. Massen- und Billigtourismus waren vor Corona in vielen europäischen Top-Destinationen bereits an natürliche Wachstumsgrenzen gestoßen. Es ist zu hoffen, dass die neue Tourismus Normalität hier den Gedanken der Nachhaltigkeit mehr Bedeutung einräumt. Die jetzt diskutierten bilateralen Grenzöffnungen, beispielsweise zwischen Österreich und Deutschland, sind eine gute Initiative, müssen aber schnellstmöglich zu einer europäischen Regelung führen.

Kommunikation von Herzen

Was hat das alles mit unserer Branche zu tun? Wirkungsvolle Kommunikation lebt auch vom Perspektivwechsel, vom direkten Austausch und von dem „Sozialen“. Gute, ehrliche Kommunikation kommt auch vom Herzen. Der ehemalige EU-Präsident Juncker war für seine Umarmungen berüchtigt. Videokonferenzen können diese symbolkräftigen Bilder des Umgangs von Regierungschefs nicht liefern. Das geeinte friedliche Europa ist auch mit Kniefällen und Händehalten auf Friedhöfen, zahlreichen Umarmungen und wahrscheinlich Tischreden und Trinkritualen aber sicherlich durch unzähliges Händeschütteln entstanden. Alles archaische Rituale, um zu zeigen: schau her, ich komme unbewaffnet, als Freund!

In diesem Sinne ein dreifaches Prosit auf ein rasches Ende der Reisewarnungen!


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